Erzählung Uschi Seemann
Meine persönliche eumig - Geschichte beginnt ganz unspektakulär und natürlich, Im Jahr 1955 im Wiener Rudolfinerhaus. Wie es uns allen so ergeht, konnte auch ich mir meine Eltern nicht aussuchen und ich wurde in eine Familie hineingeboren, die ihre Hauptverantwortung in dem Gedeihen eines Unternehmens sah.
Meinen Vater, Ing. Karl Vockenhuber, damals schon geschäftsführender Gesellschafter der Firma eumig in Wien, gähnte ich anlässlich meines ersten Fotoshootings, hingebungsvoll an. Meinen Großvater, den Mitbegründer des Unternehmens, durfte ich leider nicht mehr kennen lernen, er war vier Jahre vor meiner Geburt während einer Operation verstorben.
Ich wurde familiär in eine Zeit hinein geboren, in der der zweite Weltkrieg durch die Unterzeichnung des Staatsvertrages für Österreich vorbei war, meine Eltern bereits in Wien wohnten, mein Vater das Unternehmen im 10. Wiener Bezirk gemeinsam mit Ing. Alois Handler dem seinerzeitigen Firmenmitbegründer und Freund meines Großvaters leitete, und die Firma nach dem Krieg und dem Wiederaufbau zu florieren begann.
Geborgen wuchs ich in Sicherheit auf, und wurde von Kind auf in Hinblick auf die Übernahme eines Familienunternehmens erzogen. Meine zwei älteren Brüder waren mir drei und fünf Jahre voraus, ich war die Nachzüglerin, ein weibliches Wunschkind. Ich war das "Mascherl", das "I-Dipferl", das schon in eine Zeit hinein geborene, in der die Entbehrungen des Krieges zurück lagen, und wieder Zukunftsperspektive bestand. Meine Brüder hatten es da viel schwerer, Peter der Älteste wurde in Linz geboren, als mein Vater noch in Micheldorf arbeitete, und Paul in Wien, zu einer Zeit als sich das Zusammenleben der Großfamilie im Haus in Wien als nicht sehr förderlich erwies. Damals wohnten meine Großmutter, die Schwester meines Vaters mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern, und meine Eltern mit ihren damals zwei Söhnen gemeinsam unter einem Dach. Foto: Vor der Eingangstüre des Hauses in Wien mit meinen Brüdern Peter (Mitte) und Paul (links)
Die Situation entschärfte sich etwas, als die Schwester meines Vaters auszog. Die Probleme innerhalb der Geschwister bezüglich der Leitung der Firma, meine Tante - die Schwester meines Vaters, arbeitete damals noch in der Firma - blieben, waren aber durch die Distanz erträglicher geworden. Leider verschärfte sich später nach dem Tod meiner Großmutter dieses geschwisterliche Verhältnis, und den Kontakt und die Freundschaft zu meiner Cousine und deren Kinder fand ich erst im Erwachsenenalter.
Es ist schön, als Kind nicht mit Mangel, Entbehrungen oder Verlust in Berührung zu kommen, die Kehrseite dieser Wonnen ist allerdings eine gewisse Vereinsamung, da sich das elterliche Leben hauptsächlich um die Interessen des Unternehmens drehte, eine Aufgabe die fast ihre gesamte Kraft und Zeit einforderte. Dadurch kann ich mich nicht erinnern jemals mit meinem Vater gespielt zu haben, der frühmorgens aus dem Haus ging und erschöpft spät abends heimkehrte. Vielleicht noch mit meiner Mutter, aber auch diese Erinnerungen sind eher vage. Meine Mutter war damit beschäftigt meinem Vater "den Rücken frei zu halten" und das Haus zu managen, das groß und ständig renovierungsbedürftig war. Nur während der Schulferien war ein intensiveres Familienleben möglich. (Zu der damaligen Zeit und Gesellschaftssituation war auch generell die Eltern - Kind - Beziehung eine völlig andere)
Die Firma war überall. Abends in den Erzählungen meines Vaters, den Hausangestellten, dem Chauffeur meines Vaters der uns Kinder zum Zahnarzt oder in den anfänglichen Turnunterricht brachte, oder auch in den oft stattfindenden Tarockabenden meines Vaters mit ehemaligen Kriegskameraden von denen einige bei eumig arbeiteten. Diese Abende waren mir als Kind besonders lieb, mein Vater war fröhlich, es gab oft Schinkenbrote, für uns Kinder waren solche kulinarische Köstlichkeiten im Alltag unerreichbar, aber an diesen Abenden durfte ich ein wenig mitnaschen.
Wenn mein Vater morgens zur Arbeit fuhr verabschiedete er sich von mir, auf meine Frage wohin er denn gehen müsse kam immer dieselbe Antwort, er fährt in die Fabrik. Mir war dies kein Begriff, und ich forderte von meiner Mutter die Antwort wer denn diese "Frau Brick" denn ist, zu der er täglich fährt.
Abends beim zu Bett gehen saßen meine Eltern vor dem Fernseher, die ersten Fernseher waren natürlich von eumig, die Stimmen der Nachrichtensprecher, Walter Richard Langer oder später von Peter Fichna blieben mir stets beruhigend in Erinnerung, da ich gewiss sein konnte, dass meine Eltern zu Hause waren.
Foto: Weihnachten 1957, der Fernseher und das Phono - Eumigette - Radio sind den Weg alles Irdischen gegangen, der Jumbo auf dem ich damals saß, lebt noch.
Unvergessen auch die Besuche in der Firma in der Buchengasse. Das Haus, außen grau, dem Zweck angepasst, später erfuhr ich, dass es im Krieg zerbombt worden war und wieder aufgebaut werden musste. Wenn ich im Hof aus dem Auto stieg schlug mir der für meinen Begriff typische damalige eumig - Geruch in die Nase, es roch nach Metall und Öl. Im Hof lagen glänzende Drehteile und Abfälle. Einmal versuchte ich heimlich solch einen kleinen Teil zu stiebitzen, ließ ihn aber rasch wieder fallen, er war ganz ölig.
Das Büro meines Vaters in diesem Haus ist mir komplett entfallen, das ganze Gebäude habe ich eher eng und laut in Erinnerung. Beeindruckt hat mich schon als Kind, wenn ich die Stiegen innerhalb des Hauses hochlief, musste ich aufpassen und rechtzeitig ausweichen wenn Männer mit dunklen Brillen oder geschlossenen Augen die Stiege betraten. Irgendwie wussten sie aber, dass jemand da war, auch wenn ich mich noch so leise verhielt. Dies war mein erster Kontakt mit blinden Menschen.
Manchmal sah ich den alten Mercedes Benz von Ing. Handler wenn wir in die eumig - Garage in die Puchsbaumgasse fuhren. Einmal konnte ich sehen, dass ein Sitz aus dem Auto seitlich heraus geschwenkt war, da wurde mir erzählt, dass Herr Ing. Handler, der damals schon gestorben war, in seinen letzten Lebensjahren im Rollstuhl sitzen musste, für ihn war dieser Autositz behindertengerecht adaptiert worden. Der Kontakt zwischen meinen Eltern und der Familie Handler war innig, sie besuchten sich oft gegenseitig.
Ing. Alois Handler zu Besuch in Niederösterreich bei meinen Eltern, rechts mit Anni Handler und meiner Großmutter
Aus dem Fotoalbum: Kartenspiel von links, Ing. Handler, Herr Malek (Entwickler der eumig Kameras), Herr Satzinger (Finanzdirektor der eumig) und mein Vater bei Herrn Ing. Handler
Foto: von links Stefanie Vockenhuber und Anni Handler
Anni Handler, lud uns auch nach dem Tod ihres Mannes immer wieder in ihre Wohnung ein, stets waren Kleinigkeiten für uns Kinder irgendwo versteckt, die Suche nach diesen Leckereien erleichterte uns Kindern das Warten .
Von meiner Mutter erfuhr ich viel später, dass die beiden Frauen Vockenhuber und Handler gemeinsam nach dem Ausgleich der Firma eumig, die durch den Konkurs der "Centralbank der Deutschen Sparkassen" ca. 1926 mitgerissen worden war, persönlich zu den "Schuldnern" gegangen waren um die noch ausstehenden Rechnungen einzufordern, und damit einen Teil beitrugen das Überleben der eumig zu sichern.
Vor Weihnachten fuhren wir immer in die Firma, atemlos und ein wenig eifersüchtig beobachtete ich in den ersten Jahren, wie meine Großmutter, die ich sehr gerne hatte, gemeinsam mit Anni Handler und einem Nikolaus in üppigem Gewand und Rauschebart alle anwesenden Kinder beschenkte. Zu meiner Beruhigung wurde auch ich hinausgerufen und erhielt ein Packerl. Auch der Kasperl besuchte die Firma, gemeinsam mit unglaublich vielen anderen Kindern, die ich nicht kannte verfolgten wir atemlos die Kasperleskapaden.
eumig Weihnachtsfeier 1962
An einem heißen Sommertag, wir waren gerade in unserem Ferienhaus in Niederösterreich, kam mein Vater, der täglich nach Wien pendelte ernst und erschöpft nach Hause, und erzählte, dass meine Cousine kommen wird, die Großmutter war gestorben. Wir Kinder sollten nicht zum Begräbnis fahren, sondern gemeinsam in der Obhut des Kindermädchens am Land bleiben.
Meine Großmutter, die mir mühsam und geduldig die richtige Aussprache beigebracht hatte, ich konnte als Kind kein "sch" aussprechen, sagte stattdessen immer "ch", war nicht mehr. Ich konnte es lange nicht begreifen.
Niemand, nicht einmal Herr Pirnitzer, der die Lehrlingsausbildung in der eumig innehatte, hatte mir in seiner unglaublich ruhigen Art, die richtige Aussprache beibringen können. Nur die Geduld und die damals für Kinder unerreichbaren, köstlich süßen, gelben "Golden Delicius" - Äpfel meiner Großmutter, die mir für jedes richtig gesprochene Wort eine Scheibe vom Apfel schnitt, hatten geholfen.
Später habe ich auch noch erfahren, dass ich meine Vornamen meiner Großmutter verdanke. Ich sollte gemäß dem Wunsch meines Vaters Ursula Vockenhuber heißen, doch bei meiner Taufe kam es bereits in Anwesenheit des Pfarrers (Herr Muhr) zu Unstimmigkeiten. Meine Großmutter war bei den "Ursulinen" erzogen worden, "Tepperte Urschel" war für sie das schlimmste Schimpfwort, davor wollte sie mich bewahren. Sie plädierte für Renate, meine Mutter wollte eine Pia, geeinigt hat man sich schließlich auf "Renate Ursula", genannt werde ich seit meiner Taufe Uschi. Zur Namensgebung beigetragen hatte maßgebend der damalige Frauenarzt meiner Mutter und Großmutter, "Herr Prof. Sigmund", der anwesend war und den meine Großmutter hilferufend befragt hatte, er antwortete, dass er Ursula für einen schönen Namen hielt, schließlich hieße seine Tochter auch so. Das war's dann. Allerdings konnte sich meine Großmutter insofern durchsetzen, dass die Reihenfolge meiner Vornamen mit Renate Ursula auf den Urkunden festgelegt wurde.
Den Pfarrer, einen alten Herrn, hatte dieser Zwist anscheinend ein wenig ermüdet, er begrüßte die anwesende Familie mit einem herzhaften "Meine lieben Leidtragenden". Er hatte vorher ein Begräbnis, vielleicht sprach er auch voraussehend?
Geschrieben von Uschi Seemann am 22 Apr. 2017 08:15
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